Mittwochsgespräch: Manche Journalisten zahlen einen hohen Preis für ihre Kompromisslosigkeit

Archiv Uncategorized

PCN - Mittwochsgespräch 2015 6 Foto Gerd Klinkhardt PCN - Mittwochsgespräch 2015 1 Foto Gerd Klinkhardt PCN - Mittwochsgespräch 2015 3 Foto Gerd Klinkhardt PCN - Mittwochsgespräch 2015 2 Foto Gerd Klinkhardt PCN - Mittwochsgespräch 2015 4 Foto Gerd Klinkhardt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fotos: Gerd Klinkhardt

Erstaunt und fassungslos – so lassen sich einige Teilnehmer-Reaktionen des jüngsten Mittwochsgesprächs des Presseclubs Niederrhein (PCN) beschreiben. Um die Mitglieder und Gäste auf das Thema „Journalisten als Zielscheibe? – Gehören Übergriffe zum Alltag?“ einzustimmen, präsentierte der PCN-Vorstand im gut besuchten Casino der Sparkasse am Niederrhein gleich zu Beginn zwei eindrucksvolle Bespiele: Die Drohung des deutschen Salafistenführers Pierre Vogel per Video an einige Lokalredakteure („Wir kennen eure Namen. Ihr seid Lügner und die wahren Terroristen“), nachdem diese kritisch über die bevorstehende Gründung einer erzkonservativen Koranschule in Mönchengladbach berichtet hatten. Und danach eine Auswahl von fingierten Todesanzeigen kritischer Journalisten, die in den sozialen Netzwerken von Neonazis veröffentlicht wurden.

„Und wie fühlen Sie sich jetzt?“, fragte PCN-Vorsitzende Sigrid Baum nach der Präsentation in die Stille des Raumes. Denn manche Journalisten zahlen einen hohen Preis dafür, wenn sie ihren Job kompromisslos machen und sich nicht einschüchtern lassen. Wie fühlt man sich, wenn man von Rechtsextremen oder Salafisten bedroht wird?

Hautnah hatte der ehemalige Lokalredakteur Herbert Baumann die Entwicklung der Salafistenszene in seiner Heimatstadt Mönchengladbach miterlebt, aus der auch Pierre Vogels Stellvertreter Sven Lau stammt. „Das war eine sehr subtile Geschichte. Erst später haben die ihr wahres Gesicht gezeigt.“ Angst habe er persönlich nicht gehabt, doch im Laufe der Berichterstattung über die Salafistenschule habe er seine Beiträge nicht mehr mit dem Namen gekennzeichnet.

Im Gegensatz zu Herbert Baumann hatte der unter dem Pseudonym arbeitende Journalist Michael Klarmann aus Aachen auch schon körperliche Übergriffe bei Demonstrationen zu erleiden. Durch seine kritische Berichterstattung über die Neonazi-Szene zwischen Aachen und Mönchengladbach geriet er schnell in das Fadenkreuz der Nationalen. Als es dann auch noch eine Bombendrohung gab, war klar, dass ein Wohnungswechsel nötig wurde. „Wenn man wie ich arbeiten will, muss man auch Einschnitte im privaten Umfeld hinnehmen.“

Der Dortmunder Journalist Sebastian Weiermann, der unter anderem für die „Ruhrbarone“ schreibt, erhielt über sein Handy den Hinweis auf einen Facebook-Link. Als er ihn anklickte, las er seine eigene Todesanzeige. „Ich habe erst einmal gelacht. Man muss mit solchen Dingen offensiv umgehen, weil man den Neonazis nicht die Möglichkeit geben sollte, Druck auf einen aufbauen zu lassen.“
Natürlich ist auch Sebastian Weiermann vorsichtiger geworden. „Zu Demonstrationen von Rechten nehme ich vielleicht einen anderen Zug oder steige eine Station vorher aus.“

Auch wenn Michael Klarmann und Sebastian Weiermann nach den Übergriffen auf ihre Person juristische Schritte eingeleitet haben – rechtliche Erfolge haben sie bislang nicht. Christian Weihe, Justitiar des Deutschen Journalisten Verbandes NRW, formuliert es nüchtern: „Leider sind in solchen Fällen Journalisten machtlos gegen diese psychische Gewalt. Die Täter bleiben gerade im Internet unbekannt. Mit Unterlassungsklagen kommt man an die Urheber nicht heran.“ Im Fall Michael Klarmann ist das Pseudonym sogar problematisch. „Wie will man da eine ladungsfähige Adresse angeben?“, sagt er. In seinem Fall hat Klarmann zumindest im Raum Aachen damit bei der Polizei keine Schwierigkeiten mehr.

Ein Fazit des Abends war, dass die Berichterstattung über die extremistischen Randgruppen der Gesellschaft auch weiterhin mit Gefahren verbunden sein wird. Der Moerser Ex-Bürgermeister Wilhelm Brunswick formulierte es so: „Wenn ein Kabarettist wie Dieter Nuhr seine Furcht zugibt, dann steuern wir auf eine Gesellschaft ohne Courage zu.“