Von Gerhard Klinkhardt
Georg Kellermann ist herumgekommen. In Afrika hat ihn mal ein 16jähriger Kindersoldat mit einem Gewehr in der Hand festgenommen. Klar, dass er Angst hatte. Inzwischen hat er Schwarzafrika mit dem Duisburger Innenhafen vertauscht. „Ich habe gedacht, in Deutschland könnte man frei berichten“ erzählt er während des Mittwochsgesprächs des Presseclubs Niederrhein im Casino der Moerser Sparkasse am Niederrhein.
Dass diese Meinung falsch ist, musste der heutige Leiter des WDR-Studios Duisburg während einer Pegida-Demonstration in Duisburg lernen: „Ich hatte Angst.“ Die Sendung kam nur unter Polizeischutz („Gottlob kräftige Jungs“) zu Stande. Die Berichterstattung in Deutschland ist immer schwieriger geworden. Das Mittwochsgespräch des Presseclubs Niederrhein mit dem Thema „Medien 2016 – Zwischen Lügenpresse und echtem Journalismus“ mit Gesprächspartnern von öffentlich rechtlichem Rundfunk (Georg Kellermann, WDR), Print (Christian Peters, NRZ Chefredaktion) und Wissenschaft (Prof. Marlis Prinzing, Köln) machte deutlich, dass Lösungen nicht leicht zu finden sind – wenn es sie überhaupt noch gibt.
Vom einstmals mehr oder weniger angesehenen Redakteursberuf ist nicht mehr viel übrig geblieben. „Wir sind Zielscheiben“ stellte Peters denn auch bitter fest, und: „Ich bin seit 36 Jahren im Beruf und habe noch nie erlebt, dass sich Lesermeinungen innerhalb von Monaten so radikal ändern.“ Ein Kollege, der sich für Flüchtlinge engagiert, wird bedroht, dessen Familie ebenfalls. Aber die Kollegen stehen hinter ihm. Klein beigeben wollen aber weder Peters noch Kellermann und der WDR. Der Sender sorgt sogar inzwischen mit Weiterbildung für den Umgang mit dem Mob und anderen Problemgestalten. Dabei geht es aber nicht um Waffen- und andere Gewalt sondern eher um den psychologischen Umgang mit schwierigen Zeitgenossen.
Dabei sind die Stammtischparolen nichts Neues, erinnerte Marlis Prinzing: Es gab schon immer diese Stammtischparolen, aber im Netz bleibt es ewig.“ Es gibt aber Grenzen, stellt sie fest: „Hass ist keine Meinung, da muss man klare Kante zeigen.“ Und Christian Peters sekundiert: „Wenn man’s lässt, hat man schon verloren.“ Dabei darf man wohl nicht zu zart besaitet sein. „Kann mit einigen Motzkommentaren leben“, stellt Kellermann fest. Immerhin seien die Netzwerke auch eine Informationsquelle. Dabei stellen sie auch etwas dar, was es früher nicht gab: „Publizierendes Publikum.“ Und dabei geht es inzwischen ziemlich rund. Während sich die Menschen früher noch für ihre Äußerungen schämten und sich hinter Pseudonymen versteckten, gebe es das heute nicht mehr, berichtet Kellermann, man gebe auch bei schlimmen Meinungen seinen echten Namen an: „Mache mir Sorgen, was bei Facebook los ist. Die Menschen entblößen ihre Niederträchtigkeit nicht mehr.“
Ein bisschen Wehmut ist bei Kellermann auch zu spüren, wenn er vom „hohen Gut des angelsächsischen Begriffs des Journalismus spricht“ der Deutschland für lange Jahre wichtig war. So sieht es auch Prinzing: „Die Leute können nicht mehr Billigjournalismus von Qualitätsjournalismus unterscheiden.“ Es gebe vielmehr eine „breite Gleichgültigkeit“ und „der Journalismus hat keine Lobby mehr.“
Sie mahnt aber auch die Verleger, sich ihrer Verantwortung nicht zu entziehen. „Prekäre Arbeitsbedingungen für Journalisten“ stellten ebenfalls eine große Gefahr da. Und während in vielen anderen Unternehmen Ethik eine Rolle spiele, sei in Medienunternehmen davon weniger zu spüren. Besonders in Krisenzeiten komme es auf die Solidarität untereinander an, mahnte Annette Kalscheur in der anschließenden Diskussion: „Journalisten müssen aufeinander aufpassen.“ Das wird sicher der türkische Journalist Mustafa Gülec dick unterstreichen, der als Erdogan-kritischer Kollege immer mehr Bedrohungen ausgesetzt ist.
Kasten 1:
Zwischen Lügenpresse und echtem Journalismus
Eine neue Herausforderung für Journalisten und Publizisten
Das Podium:
Marlis Prinzing, Professorin für Journalistik an der Macromedia Hochschule in Köln, Moderatorin, Kolumnistin, Buchautorin und Herausgeberin einer Praxisbuchreihe für Journalismus;
Georg Kellermann, Journalist und Leiter des WDR-Studios Duisburg;
Christian Peters, Journalist und Mitglied der NRZ-Chefredaktion Essen.
Gesprächsleitung: Ulf Maaßen, Thorsten Schröder
Kasten 2
Was Hass verstärkt
Hass kommt nicht aus dem Internet, sondern aus den Köpfen. Das Internet hat aber bestimmte Eigenschaften, die Hass verstärken können: So sehen wir im Netz unser Gegenüber nicht. Wir wissen also nicht, wie die eigenen Kommentare ankommen. Die fehlende Resonanz frustriert auch. Beides kann hemmungsloser machen. Eine weitere Eigenschaft: im Internet ist es möglich, mit vielen verschiedenen Leuten in Kontakt zu kommen. Doch wir folgen online wie offline gerne Menschen mit ähnlichen Meinungen, was Echokammereffekt genannt wird.
Den Echokammereffekt verstärken Algorithmen wie zum Beispiel die von Facebook. Sie zeigen uns vor allem Inhalte an, die wir wahrscheinlich liken werden, weil wir schon mal ähnliche Inhalte geliked haben. Das ist der sogenannte Filterblaseneffekt. Die Folge: Der Echokammer- und der Filterblaseneffekt führen im Internet dazu, dass wir mit unserer Meinung – egal ob über Musik oder Politik – weniger anecken, was zu Radikalisierung führen kann.
Das Internet ist nicht schuld, dass es Hasskommentare gibt. Es hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Menschenfeindliche Einstellungen und Hass wurzeln tief in unserer Gesellschaft. Die Eigenheiten des Internets können den Hass aber verstärken. Es hilft also nicht, nur das Internet ändern zu wollen, wir müssen grundsätzlich gegen Vorurteile, Diskriminierungen und Hass vorgehen – beginnend in den Schulen.
Aus: BR Faszination Wissen
http://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/faszination-wissen/kommentare-hass-hetze-facebook-twitter-100.html